Was ist ein Kontaktgranulom?
Ein Kontaktgranulom ist eine meist einseitig auftretende Gewebeveränderung (Granulationsgewebe) unterschiedlicher Größe und Form im hinteren Drittel der Stimmlippe. Das Kontaktgranulom nimmt als Entzündungsgewebe seinen Ursprung von der Knorpelhaut (Perichondrium) des Stellknorpels. Das Stimmbandgranulom hat häufig eine schüsselförmige Gestalt, welche durch den Schlag der Gegenseite zustande kommt.
Die Größe eines Kontaktgranuloms variiert stark. Neben kleineren Formen, die nur zu minimalen Störungen führen, gibt es ballonartig große Granulome, die nicht nur erhebliche Heiserkeit verursachen, sondern auch zu Atemstörungen führen.
mittelgroßes Kontaktgranulom
Wie entsteht ein Kontaktgranulom?
Ein Kontaktgranulom entsteht fast immer auf der Grundlage einer Verletzung von Schleimhaut und Knorpelhaut im Bereich des Arytenoidknorpels, also im hinteren Drittel der Stimmlippe. Dabei kommt die Schädigung häufig durch eine mechanische Überbeanspruchung der Stimme, das heißt durch eine chronische oder akute Belastung zustande. Als Ursache kommt ebenfalls eine hyperfunktionelle Dysphonie in Betracht. Als weitere Ursache wird der laryngopharyngeale Reflux (stiller Reflux), als Form einer chemischen Schleimhautschädigung diskutiert.
Kontaktgranulome findet man in der Mehrzahl der Fälle bei Männern, vereinzelt sind Stimmlippengranulome aber auch bei Frauen festzustellen.
Daneben müssen auch psychogene Stressfaktoren zumindest als Kofaktoren der Entstehung eines Kontaktgranuloms in Betracht gezogen werden. Dazu gehören insbesondere emotionaler Stress und eine aggressive Persönlichkeitsstruktur.
Im Anamnesegespräch wird auch häufig von beruflichen oder ökonomischen Problemen berichtet. In seltenen Fällen kommt es vor, dass professionelle Sänger an einem Stimmlippengranulom erkranken. Die Behandlung ist hier besonders schwierig, weil durch den intensiven Gebrauch der Singstimme ein Wachstumsreiz entsteht, der das Kontaktgranulom häufig an Größe zunehmen lässt. Trotz intensiver Antirefluxmedikation und Phasen der Stimmschonung ist bei Berufssängern die Therapie besonders schwierig.
Sollte das Kontaktgranulom bei Sängerpatienten eine Größe annehmen, die den Stimmlippenschluss erheblich stört und so eine dauerhafte Heiserkeit verursacht, muss die Operation als ultima ratio in Betracht gezogen werden.
mittelgroßes Kontaktgranulom
Welche Beschwerden verursacht ein Kontaktgranulom?
- Missempfindungen im Kehlkopfbereich
- ausgeprägte Heiserkeit
- Stimmermüdung
- Atembeschwerden (bei großen Granulomen)
Patienten, die an einem Kontaktgranulom leiden, berichten häufig von Missempfindungen im Kehlkopfbereich, einem sogenannten Globusgefühl, das insbesondere beim Schlucken in Erscheinung tritt. Darüber hinaus steht eine mehr oder weniger stark ausgeprägte Heiserkeit im Vordergrund.
Die Beschwerden können auch schmerzhaften Charakter annehmen, so dass das Sprechen zunehmend als belastend empfunden wird.
Desweiteren klagen die Patienten häufig über Stimmermüdung und eine häufig behauchte Stimmqualität, die durch einen unvollständigen Stimmlippenschluss hervorgerufen wird. Der Grad der Behauchtheit nimmt meist mit der Größe des Kontaktgranuloms zu.
In einigen Fällen können Kontaktgranulome so groß werden, dass sie den Atemweg deutlich verlegen und der Patient über Kurzluftigkeit und Atemproblemen klagt.
Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?
- Stimmtherapie
- Medikamentöse Therapie
- Stimmchirurgie (eingeschränkte Indikation)
Die Behandlung eines Kontaktgranuloms sollte grundsätzlich zweigleisig erfolgen. Einerseits sollte versucht werden, den Patienten im Rahmen einer intensiven stimmtherapeutischen Behandlung zu einer weicheren Stimmgebung und zu einem Abbau der hyperfunktionellen Druckmuster zu veranlassen, da dem Stimmbandgranulom meistens eine chronische Überbelastung der Stimme zu Grunde liegt. Deshalb sollte der Patient auch zu Stimmschonung und ggf. einer mehrwöchigen Stimmruhephase angehalten werden. Andererseits sollte der für die Granulomentstehung meist mitverantwortliche laryngopharyngeale Reflux medikamentös behandelt werden. Hier bietet sich eine Therapie mit Protonenpumpeninhibitoren an, die ausreichend hoch dosiert sein sollten.
Die Behandlung eines Kontaktgranuloms kann sich über eine längere Zeit erstrecken. Wenn sich das Granulom einmal gebildet hat, ist es in vielen Fällen häufig schwierig, es kurzfristig vollständig zur Rückbildung zu bringen. Hier führt nur eine geduldige Kombinationstherapie aus Stimmübungsbehandlung sowie suffizienter medikamentöser Behandlung zum Ziel.
Grundsätzlich sollte ein Kontaktgranulom primär nicht operiert werden, da es häufig zu Rezidiven kommt. Diese können bereits wenige Wochen nach der Operation erneut auftreten. Da es sich bei einem Kontaktgranulom um entzündliches Granulationsgewebe handelt, welches sich vom Knorpelgewebe, also vom Perichondrium ableitet, führt eine Operation in diesem Bereich häufig zu einer größeren Verletzung des Knorpels.
Die Gewebereaktion des bei einer solchen Operation verletzten Knorpels kann in der Bildung von überschießendem Entzündungsgewebe münden, welches deutlich größer ist als das ursprüngliche Kontaktgranulom. Insbesondere zu warnen ist vor einer Abtragung des Kontaktgranuloms mit dem Laser. Da es sich bei der Laserbehandlung um Wärmeenergie handelt kann dadurch eine erhebliche Hitzeschädigung des Perichondriums erfolgen. Die darauf folgenden Rezidive können erhebliche Ausmaße annehmen. Daher ist insgesamt die operative Behandlung von Stimmlippengranulomen mit größter Sorgfalt abzuwägen.
Wahrheit und Mythen über das Kontaktgranulom
Auf dem Boden einer Schleimhautverletzung im Bereich des Processus vocalis (Stellknorpel) entsteht das Kontaktgranulom als überschießende Bildung von Entzündungsgewebe. Dabei kann die Schleimhautverletzung unterschiedlicher Art sein. Übermäßiger Stimmgebrauch, chronischer Husten, ausgeprägter laryngopharyngealer Reflux sowie psychogene Kofaktoren spielen in unterschiedlicher Gewichtung die Hauptrollen.
Die Hypothese, dass ein Kontaktgranulom fast immer auf der Basis einer psychogenen Störung oder emotionalen Dysbalance entsteht, entspricht definitiv nicht den Erfahrungen von Dr. Wohlt.
Fallbeispiel Kontaktgranulom
Ein 44-jähriger Gewerkschaftsfunktionär stellt sich mit seit sechs Monaten bestehender Heiserkeit vor. Die Stimme habe anfangs nur leicht belegt geklungen, im Verlauf der Monate habe sich jedoch eine erhebliche Heiserkeit eingestellt. Begleitet sei die Stimmstörung von einem Gefühl der Missempfindung, einem Globusgefühl, dass sich insbesondere beim Schlucken manifestiere. Das Sprechen falle ihm schwer, die Stimme ermüde deutlich schneller als zuvor, lautes Rufen sei überhaupt nicht mehr möglich gewesen.
Der Patient ist Nichtraucher, er habe seit ungefähr zwei Jahren eine besonders intensive Funktionärstätigkeit, die mit erheblicher Arbeitsbelastung und psychischem Stress verbunden sei. Sein Familienleben leide unter der Arbeitsbelastung und seine sozialen Kontakte brächen weg.
Die videostroboskopische Untersuchung zeigt im Bereich des rechten Processus vocalis, also im hinteren Drittel der Stimmlippe ein ausgeprägtes Kontaktgranulom mit einer typischen schüsselförmigen Formation. Der Stellknorpel der Gegenseite weist auch eine kleine Gewebehyperplasie auf. Bei der Stimmgebung können sich beide Stimmlippen nicht mehr vollständig schließen, da sie durch das Kontaktgranulom bereits blockiert werden.
Dem Patienten wird geraten, sich einer zweigleisigen Therapie zu unterziehen. Zunächst wird eine intensive stimmtherapeutische Behandlung eingeleitet, die zweimal pro Woche stattfindet. Hier soll der Patient lernen, seine Stimme weicher und mit weniger Druck einzusetzen. Darüber hinaus wird der Patient mit einer ausreichend hohen Dosis von Protonenpumpeninhibitoren behandelt. Laryngologische Kontrollen finden im Abstand von zwei Monaten statt. Nach anfänglichen Therapieerfolgen mit einer deutlichen Rückbildung des Kontaktgranuloms kommt es nach weiteren zwei Monaten zu einem erheblichen Rezidiv.
Nach Einleitung einer zusätzlichen psychotherapeutischen Behandlung, kann nach weiteren vier Monaten eine vollständige Rückbildung des Kontaktgranuloms festgestellt werden. Dabei ist es interessant, dass bei diesem Patienten erst eine Kombination aus funktioneller Stimmtherapie, medikamentöser Antirefluxtherapie sowie einer unterstützenden psychotherapeutischen Behandlung zum Erfolg führte.